MUSAE SIONIAE V bis IX – Kantionalsätze à 4, Choralsätze und Choralmotetten à 2 bis à 7

Musikalische Werke (3)

Nach Erscheinen der acht- bis zwölfstimmigen Choralmotetten als MUSAE SIONIAE I-IV hatte Praetorius bemerkt, dass für viele Kantoreien und Kapellen diese Motetten zu vielstimmig waren. („wie gerne mann offtmals auch gewolt / [hat man] mit so viel Stimmen nicht fortkommen mögen“).

Darum hat er es sich nicht verdriessen lassen, auch ein Cantional … auff 2, 3, 4, 5, 6, 7  Stimmen … zu vorfertigen“, d. h. er hat einfachere Liedsätze für den praktischen Gebrauch komponiert. So entstanden die Teile V bis IX der MUSAE SIONIAE. In der  Gesamtausgabe sind es die Bände 5 bis 9.

Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Die Bände 6 bis 8 (Musae Sioniae VI bis VIII) enthalten einfache vierstimmige Liedsätze, die Bände 5 und 9 (Musae Sioniae V und IX) zwei- bis siebenstimmige Tonsätze zu Kirchenliedern.

 

MUSAE SIONIAE Teile VI bis VIII (1609/1610)

Kantionalsätze à 4

[GESAMTAUSGABE BAND 6 bis 8]

Praetorius hat alle Kirchenlieder, die er kannte oder in verschiedenen Gesangbüchern fand, gesammelt; dabei hat er auch Melodievarianten und deren Herkunftsgebiet berücksichtigt. Von Ein feste Burg ist unser Gott“ notiert er z.B. Melodiefassungen, wie sie im Herzogtum Braunschweig, in Thüringen und den Seestädten“ sowie in Preußen gesungen wurden. Zu manchen Kirchenliedern gibt Praetorius nur zwei, zu einigen fünf oder gar sechs rhythmisch-melodische Varianten an. Von 310 Liedern notiert er nur eine Fassung.  Zu jeder der Melodien und Melodievarianten aus den Bänden 6 bis 9 hat Praetorius einen einfachen vierstimmigen Liedsatz (einen sogenannten Kantionalsatz) komponiert. In Fachkreisen nennt man diese Gruppe deshalb auch das KANTIONAL des Michael Praetorius. Zu 458 verschiedenen Texten enthält es insgesamt 746 Tonsätze; dabei hat Praetorius einige Sätze von anderen Komponisten übernommen, z.B. von Bartholomäus Gesius (1562-1613, Kantor an der Marienkirche in Frankfurt/Oder).

Kantionalsatz: seit dem 16. Jahrhundert gebrauchte mehrstimmige Satzform von Kirchengesängen, bei der die Melodie in der Oberstimme liegt und alle Stimmen im gleichen Rhythmus geführt werden.

ES IST EIN ROS ENTSPRUNGEN

Es ist ein Roeß entsprungen – CANTUS;  Quelle: Originaldruck Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Bearbeitung: Winfried Elsner

Bei acht Liedern gibt Praetorius als deren Herkunft Catholisch“ an. Es sind mit einer Ausnahme Lieder zu Christi Geburt mit teils lateinischem, teils deutschem Text, die aus katholischen Gesangbüchern stammen könnten. Das mag zunächst überraschen. Jedoch ist daran nichts Ungewöhnliches, denn nach der Reformation wurden zahlreiche Texte und Lieder aus vorreformatorischer Zeit übernommen, sofern deren Text rein“ war, d.h. biblischen Aussagen und lutherischer Glaubenslehre entsprach. Viele Lieder von Luther sind auf diese Weise entstanden. Eines dieser Catholischen“  Lieder bei Praetorius

Es ist ein Roeß entsprungen – TENOR

ist das bekannte und über die Grenzen Deutschlands hinaus beliebte Weihnachtslied Es ist ein Ros entsprungen“. Warum gerade dieses Lied heute als fester Bestandteil weihnachtlicher Musik so verbreitet ist, während die anderen catholischen“ Lieder unbekannt geblieben sind, bleibt letztlich unerklärlich. Mit Sicherheit spielt der schöne vierstimmige Satz von Praetorius eine entscheidende Rolle.

Noten zu Kantionalsätzen siehe: Noten und Aufführungsmaterial (3a) – Kantionalsätze

 

MUSAE SIONIAE Teile V und IX (1607 und 1610)

Choralsätze und Choralmotetten à 2 bis à 7

[GESAMTAUSGABE  BAND 5 und 9]

Diese Gruppe, die Praetorius um weitere Teile erweitern wollte, enthält Tonsätze verschiedener Art von zwei bis sieben Stimmen. Die Bicinien (zweistimmige Sätze) sind fugweiß“ gesetzt, die dreistimmigen Sätze in unterschiedlichen Arten – meist polyphon kontrapunktisch – komponiert. Bei den vier- bis siebenstimmigen Sätzen gibt es neben schlichten Kantional- vor allem kunstvolle polyphone Sätze: Choralmotetten von großer Schönheit. 16 von den insgesamt 342 Choralbearbeitungen stammen von anderen Komponisten, sieben allein von Johann Walter. (*1496, † 1570 in Torgau. Berater Luthers bei der Reform des Gottesdienstes und bei Kirchenliedkompositionen)

Man fragt sich, warum Praetorius zu vielen Kirchenliedern solche Vielzahl von Sätzen komponiert hat. Ein Grund ist sicher, um den Gottesdienst abwechslungsreich zu gestalten, indem man einen Choral von Strophe zu Strophe in verschiedenen Sätzen singt und/oder spielt.  Auf CDs (siehe Diskographie) findet man Beispiele für Abfolgen, z.B. Nun komm der Heiden Heiland auf C 05 und Nun bitten wir den heiligen Geist auf C 12. Ein  Inhaltsverzeichnis  von Band 5 (zusammengefasst und ergänzt) kann einen Eindruck der Vielzahl vermitteln.

Noten zu Choralsätzen und -motetten siehe: Noten und Aufführungsmaterial (3b) – Choralsätze und -motetten

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